Eine kurze Geschichte der Companeras
Den Anstoß, gemeinsam Theater zu spielen, gab ein Kurs zum Rollenstudium nach Stanislawski. Einzelszenen
aus Dramen von Sophokles bis Shaw zeigten wir im Sommer 2006
(bei 40 °C) im damaligen Lokal „Pianissimo“
in Duisburg-Duissern. Das Feuer war entfacht und konnte weiter lodern. Die Notkirche
in Duissern hat eine kleine Bühne und Pfarrer Korn ermöglichte uns fünf Frauen
ab Oktober 2006 dort zu proben. Die
Premiere von Henrik Ibsens
Kammerspiel „Gespenster“ am 4. November 2007 war das
Ergebnis. Selbst komponierte Live-Musik
(Klavier) komplettierte die Aufführung. Das auf 3 Mitglieder geschrumpfte Ensemble plante ein
5-Personen-Stück. Fortuna liebt uns: Für Johann Wolfgang von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (22. März 2009) hatten wir
die volle Besetzung und noch eine Frau für Vorhang und Licht (echter Luxus!).
Schwertkampfeinsätze (vom Aikido inspiriert), Trommel, das Parzenlied, selbst vertont und auf der
Querflöte begleitet, waren Highlights. Anlässlich der 60-Jahr-Feier der Notkirche (5. Juni 2009) übten wir „Chimäre“ von Federico Garcia Lorcas ein. Unsere liebsten
Erinnerungen und lautesten Lachanfälle stammen aus der Erfahrung des Scheiterns
einer Aufführung. Ziemlich viel lief ziemlich schief. Nehmen wir den Satz „Er hört
dich nicht, er hört dich nicht, er hört dich nicht!“ (einziger Text einer
Schauspielerin), wurde zu „Er sieht dich nicht, er sieht dich nicht, er sieht
dich nicht!“ Nichtsdestotrotz es ist grandios, einen Lorca aufzuführen! Am 17. April
2010 folgte „Der Pelikan“
von August Strindberg, ein düsteres Kammerspiel, das mit der von Steinmauern umgebenen
Notkirchenbühne eine ideale Kulisse hatte. Die Aufführung wurde per Video
aufgezeichnet und wir waren zum ersten Mal auch unser eigenes (begeistertes) Publikum.
Mit Franz Grillparzers „Ahnfrau“ führten wir ein Stück mit neun (!) Personen erfolgreich auf (9. April und 18. Juni 2011). Das klappte, weil ein mutiger Schauspieler aushalf,
als eine der Companeras kurzfristig ausfiel. Und Toni (erster Mann im Ensemble)
blieb in zwei nachfolgenden Inszenierungen dabei. In Molières „Menschenfeind“ (21. und 28. April 2012) probierte Christoph, der vom
Improtheater kommt, seine erste „richtige“ Rolle und Toni wurde in kurzer Frist vom alten
Räuberhauptmann zum jungen, reichen Marquis. Irmel, die mitreißend
Akkordeon spielt, übernahm neben der –bravourös gespielten- Rolle des Dieners
Basque, die musikalische Begleitung. Die Notkirche war ausverkauft! Wir
spielten spontan ein drittes Mal, diesmal im Ev. Gemeindehaus Neudorf-West (10.
Juni). „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ von Christian Dietrich Grabbe
führten wir 2013 viermal auf (13. und 20. April in der Notkirche, 4. Mai im
Gemeindezentrum, 26. Oktober in der Pauluskirche). Der Raum der Hochfelder
Pauluskirche hat eine hohe Nachhallzeit, die für sprachliche Darbietungen nicht
so gut passt, dafür unsere musikalischen Parts (Flötenspiel, Gesang, Akkordeon)
besonders gut hervorhebt. Einige Mitglieder meisterten gleich zwei oder drei
Rollen. Irmel überwand -mit damals 86 Jahren- in ihrer Rolle als 12jähriges
Gottliebchen alle Altersgrenzen. „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Ödön von Horváth, eine Perle der Theaterliteratur, verlockte uns. Zum
ersten Mal gaben wir auch eine Lesung zum Autor, mit Begleitmusik, Solostücken,
Liedern zum Mitsingen: ein voller Erfolg (26. März in der Notkirche, 30. März
im Gemeindezentrum, 10. April 2014
in der Pauluskirche). Björn und Steven verstärken das Ensemble und debütierten
gleich in mehreren Rollen. Chapeau vor ihrem Mut! Unsere Akkordeonistin Irmel hatte
neben ihrer musikalischen Aufgabe zwei Rollen: als Tante Henriette und als „Kapelle“
im Maxim. Wundervoll! (20. und 21.September, 2. November 2014). 2015 probten wir „Onkel
Wanja“ von Anton Čechov. Parallel dazu folgten wir der Einladung des Theaters „HalbeTreppe“ in
Dinslaken: im März lasen wir unsern Horvàth und am 17. Mai 2015 spielten wir auf
der winzigen Bühne die „Geschichten“ zum vierten Mal (mit farbiger Beleuchtung,
ein Traum erfüllte sich!). Wir verliebten uns in Russlands großen Dichter Anton Čechov
im Handumdrehen. In und mit jeder Probe verbeugten wir uns vor seinen
überragenden Fähigkeiten. Auch eine Lesung aus seinen Werken mit
Akkordeonbegleitung (russische Musik, versteht sich), bereichert uns und das
Publikum (8. und 14. November 2015). 2016
stand unser „Wanja“ auf der Bühne (23., 24. und 31. Januar), russische
Musik auf dem Akkordeon und Gitarrenbegleitung für den bewegenden
Schlussmonolog der Sonja durften nicht fehlen.
Heinrich von Kleist „Die Familie Schroffenstein“ forderte uns in besonderer Weise.
Kleists Sprache ist höchst ungewöhnlich, sehr genau, schwierig zu lernen. Wir
lernten die Blankverse, deren Gleichmaß Kleist auch gerne mal durchbricht, mit
Ausdauer und Beharrlichkeit auswendig. Geistige Schwerarbeit! Bewunderswert wie
auch unsere Theaterneulinge Dorit, Sara und Steffi sich „ihren“ Kleist
erarbeiteten. Was passiert, wenn es mit Hilfe dieser besonderen Sprache
gelingt, dieses Stück für uns heute lebendig zu machen, haben wir mit unserem
Publikum im Januar 2017 erlebt. Es gab Standing Ovations. Endlich Shakespeare!! Der Gipfel der Theaterleidenschaft ist erreicht. Wer Theater liebt, kommt irgendwann bei Shakespeare an. Wir spielen „The Winter´s Tale“, „Das Wintermärchen“. Wie zu Shakespeares Zeit haben fast alle nicht nur eine, sondern mehrere Rollen. Die Anziehungskraft des Ensembles ist ungebrochen, einige „Altgediente“ spielen diesmal nicht, dafür stürzen sich zwei junge Frauen, Yvonne und Alina, mutig ins Theater- und Ensemblegeschehen. Als König und Prinz sind sie mittendrin in der Dramenwelt Shakespeares. Im November gab es schon die Lesung „Geister und Hirngespinste“, in der wir verschiedene berühmte Werke Shakespeares lebendig werden ließen; im Februar 2018 hat unser Wintermärchen Premiere.
Was kann nach Shakespeare, dem König des Theaters, noch kommen? Wir blicken wieder mal nach Österreich –wie schon bei Grillparzer– und nach Wien –wie schon bei Horvàth– und stoßen auf den großen „psychologischen Tiefenforscher“ Arthur Schnitzler, den „literarischen Doppelgänger“ Sigmund Freuds. Unsere Lesung am 18. November macht neugierig auf das nächste Stück, Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“. Und mal wieder verjüngt sich das Ensemble! Zwei junge Frauen sind neugierig auf das Ensemble und seine Arbeitsweise und sie haben Lust dabei zu sein, vorerst mit kleineren Männerrollen. Im März 2019 war Premiere. Die gefühlt „unendlich“ vielen (und unendlich
geprobten) Auf- und Abgänge in kleinen Gruppen zeigen die Präsenz der
Gesellschaft, die die Figuren auch im privaten Raum „im Griff“ hat. Im 3. Akt durfte
das Publikum über die Bühne gehen. Hutmacherin Susanne Arnken, die –ebenso wie die zweite
neue Companera Stefanie Paeßens– bei ihren ersten Bühnenauftritten gleich zwei
Rollen bravourös verkörperte, stellte eine große Auswahl ihrer Hüte zur
Verfügung und gut „behütet“ strömte das Publikum im 3. Akt in das Foyer des
Hotels am „Völser Weiher“ Im November
spielten wir unseren Schnitzler mit wahrer Leidenschaft vor exklusivem Publikum
in Mülheim nochmal im Spieldorf. Endgültigen Abschied von Schnitzler nahmen wir
mit unserer Lesung im Februar 2020 in der Halben Treppe in Dinslaken. Sophokles konnten wir am 8. März 2020 so gerade noch vor den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in unserer Lesung „Tochter, Schwester, Braut. Die Antigone des Sophokles“ präsentieren. Fast ein Jahr lang konnten wir nicht live proben, haben uns aber bei Videokonferenzen gesehen. Textlernen geht zum Glück auch ohne Bühne. Seit Juli 2021 proben wir wieder auf der Bühne der Notkirche an unserer „Antigone“. Am 17. Oktober ist endlich Premiere. Am 20. November wollen wir ein zweites Mal spielen. Wir freuen uns auf unser Publikum!
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