Sophokles

















  Sophokles (497/496 v. Chr. - 406/405 v. Chr.)


Verdammt sei der Mann, der die Griechen den Krieg gelehrt hat.

(Der Chor im „Aias“ von Sophokles)

Sophokles wurde 497 oder 496 v. Chr. im Dorf Kolonos nahe Athen geboren.
 

Um das Jahr 406/405 v. Chr. stirbt Sophokles über 90jährig und hoch geehrt in seiner Heimatstadt, ohne je eine der zahlreichen Berufungen an einen auswärtigen Königshof angenommen zu haben.

Der Komödiendichter Prynichons schrieb ein Epitaph für ihn:

Seliger Sophokles/er lebte lange Zeit/
und starb als ein beglückter und feiner Mann./
Er dichtete viele schöne Tragödien/und endete schön; er duldete kein Leid.

Mit 6 oder 7 Jahren erlebte Sophokles tatsächlich das Ende eines lang dauernden Krieges, den die Griechen gemeinsam gegen die Perser geführt hatten. Die heimkommenden Sieger von Marathon wurden überschwänglich gefeiert. Doch lange währt der Frieden nicht.

10 Jahre später, im Jahr 480, näherte sich die persische Invasion unter Xerxes wieder mit der angekündigt größten Flotte und dem größten je dagewesenen Heer, um Athen „vom Erdboden zu radieren“ und die Athener zu versklaven. Städte brannten, Vergewaltiger und Plünderer zogen durch die Straßen, Athen wurde evakuiert. Die Evakuierung dauerte tagelang und erfolgte über den Athenischen Hafen zur Insel Salamis. Mit 16 Jahren musste Sophokles zusehen, wie seine Heimatstadt in Flammen aufging.

Als dann der griechische Sieg über die Übermacht der Perser in der Seeschlacht von Salamis im Jahr 480 v. Chr. gefeiert wird, führt Sophokles als Jugendlicher wegen seiner Statur, seiner athletischen Geschicklichkeit und seiner herausragenden musikalischen Fähigkeiten den Dankgesang an. Doch das Bild des zerstörten Athen konnte er nie vergessen. Sophokles, ebenso wie Aischylos und Euripides warnten und mahnten ihr Publikum in ihren Werken vor jedem Krieg.

Schon in der frühesten Tragödie, die uns von Sophokles erhalten geblieben ist, dem „Aias“ singt ein Soldatenchor „Verdammt sei der Mann, der die Griechen den Krieg gelehrt hat.“

Sein Vater Sophillos war ein reicher Waffenfabrikant und so erhält Sophokles eine gute Ausbildung.

470 v. Chr. reicht er seine ersten vier Dramen für den Wettkampf der Dichter bei den Dionysosfesten ein. Nach eigenem Bekunden lernte er das Stückeschreiben bei dem ältesten der drei großen attischen Tragiker des 5. Jhs Aischylos.

Etwa 20 mal erhielt Sophokles den ersten Preis, etwa 10 mal den zweiten, d. h. 72 seiner Stücke wurden ausgezeichnet. 123 Stücke hat er geschrieben. Die Tragödien werden nur für diese Feste geschrieben. Aufgeführt wurden diese Dramen ausschließlich bei den jährlich im Frühjahr in Athen stattfindenden Festen der Großen Dionysien. Und es gibt für jedes Stück nur diese eine Aufführung vor den 12-17000 Zuschauern.
 

468 wird Sophokles nach seinem Schauspieler- Debüt im Dionysostheater als Mädchen-Darsteller gefeiert.

In einem eigenen Stück wurde sein Ballspiel ausgezeichnet, in einem anderen hatte er als Sänger zur Leier großen Erfolg.

Doch nicht nur als Dichter, auch als Priester und als Politiker war er erfolgreich. Politik, Kunst, Kult gehörten zusammen.
 

Als Priester des Askleipion, dem Gott der Heilkunst, war er hoch angesehen. Er war verheiratet und hatte einen Sohn aus dieser Ehe sowie einen zweiten unehelichen. Beide Söhne sind ebenfalls Tragödiendichter geworden. Sophokles´ politische Karriere war abwechslungsreich: er war Schatzmeister des Attischen Seebundes (443/442 v. Chr), gemeinsam mit Perikles Stratege (441–439 v. Chr. im Samischen Krieg), Mitglied der oligarchischen Regierung Athens (413/412 v. Chr. nach der vernichtenden militärischen Niederlage auf Sizilien).

Theodor Kissel: Die Seemacht Athen ist der bevölkerungsreichste Stadtstaat Griechenlands, demokratisch, weltoffen, doch von hegemonialen Ambitionen getrieben und oft arrogant gegenüber anderen Stadtstaaten.

Theodor Kissel: „Meterhoch schlagen Flammen rings um Athen empor, zerstören jede Vegetation. Die Felder brennen in jenem Sommer 431 v. Chr. zum ersten, doch nicht zum letzten Mal, angezündet vom Erzfeind Sparta. In jenem Sommer wähnen sich die gut 200.000 Einwohner Athens hinter ihren "Langen Mauern" sicher (Der seit 15 Jahren führende Politiker, Perikles, hat sie bauen lassen, um die Stadt mit den sieben Kilometer entfernt gelegenen Häfen Piräus und Phaleron zu verbinden. Und um nun die Bevölkerung der umliegenden Dörfer und Weiler dahinter in Sicherheit zu bringen.) und fast gelangweilt beobachten die Athener aus der Ferne, wie das feindliche Heer Getreide abfackelt und dann wieder abzieht. Doch die verbrannte Erde ist Spartas Strategie, dem Gegner die Ressourcen zu nehmen, Jahr um Jahr, bis 421 v. Chr.

Der Krieg zwischen den beiden führenden Mächten des antiken Griechenlands, den man später den Peloponnesischen nennt, sollte, von einigen Waffenstillständen unterbrochen, 27 Jahre lang wüten.  […]

Theodor Kissel: Athen, im Sommer 430 v. Chr.: Wieder brennen die Felder und wie im Vorjahr haben sich die Landbewohner hinter die schützenden Mauern geflüchtet. Doch dann bricht eine Epidemie aus. Die Seuche rafft mehr als 20.000 Menschen dahin, darunter 4500 Soldaten, mehr, als je eine Schlacht gefordert hat.

Schlimmer noch: Perikles selbst fällt 429 v. Chr. der Krankheit zum Opfer und ein Wettrennen um die Macht setzt ein. Demagogen buhlen um die Gunst des Volks, darunter der Lederfabrikant Kleon (422 gefallen), dessen Geschäfte dank des Kriegs florieren. Er redet einer offensiven Strategie gegen Sparta das Wort. Die Seebundkasse, die sich bei Kriegsausbruch noch auf 150 Tonnen Silber belief, ist inzwischen nahezu leer. Deshalb erhöht Kleon 425 v. Chr. die Tributforderung an die Bundesgenossen um tausend Talente und standardisiert diese "Steuer": Sie soll fortan nur noch in einer einheitlichen Währung in Athens Kasse fließen als mit Athenakopf und Eule verzierte "Tetradrachme".

Finanziell wieder flott, führt Kleon die Stadt gegen Sparta.[ …] erstmals kapituliert ein spartanisches Heer, der Nimbus der Unbesiegbarkeit scheint gebrochen. Tatsächlich bietet Sparta den Frieden an. Doch Athen lehnt siegesgewiss ab.

Ein folgenschwerer Fehler! Athen sucht 421 v. Chr. die offene Feldschlacht und wird vernichtend geschlagen.

Auch die Hardliner Kleon und Brasidas fallen. In beiden Lagern gewinnen nun moderate Kräfte die Oberhand, sodass im April desselben Jahres der nach dem nun führenden athenischen Politiker benannte "Frieden des Nikias" geschlossen werden kann.

Auf der anderen Seite jedoch erblüht die Kunst. "Noch in den dunkelsten Jahren des Kriegs", schrieb der Tübinger Althistoriker Hermann Bengtson, "strahlte die unversiegbare Schöpferkraft des hellenischen Geistes."

Während die Werften und Werkstätten in der Stadt und im Hafen von Piräus vom Arbeitslärm der Rüstungsindustrie widerhallen, vollbringt die attische Klassik kulturelle Höchstleistungen: Auf der Akropolis wird gebaut, Sophokles, Euripides und Aristophanes schreiben ihre großen Dramen, Thukydides und Xenophon ihre Geschichtswerke, Sokrates entwickelt seine Dialektik und Platon seine Philosophie.

Nach dem Siziliendebakel bröckelt der Seebund. … Das wiederum mindert den Zufluss an Geldern, auf die Athen angesichts der ungeheuren Rüstungsanstrengungen mehr denn je angewiesen ist. Im Frühjahr 411 v. Chr. bemächtigt sich die spartanische Flotte der Dardanellen und trifft damit den Lebensnerv Athens. Denn durch dieses Nadelöhr erhält es Getreide aus dem Schwarzmeergebiet.

Jede verlorene Schlacht bedeutet eine Katastrophe, jeder Sieg ist teuer erkauft. Die Niederlage bei Notion im Jahr 407 v. Chr. kostet Alkibiades das Kommando, für die verlorene Seeschlacht bei den Arginusischen Inseln im Jahr darauf verurteilt die Volksversammlung sechs Strategen sogar zum Tod. Doch damit beraubt sich die Stadt erfahrener Befehlshaber.

Sparta hingegen geht es glänzend. Dank persischem Geld verfügt es über zweihundert Schiffe, die zum letzten Schlagabtausch bereit sind. Um dagegenzuhalten, schmelzen die Athener sogar die im Parthenon aufbewahrten Kultgegenstände ein, selbst die goldene Statue der Siegesgöttin. Doch es kommt nicht einmal zur Schlacht. Kampflos bemächtigt sich der spartanische Kommandant Lysander 405 v. Chr. des letzten Aufgebots des Gegners – welch eine Schmach!

Sophokles erlebt den Zusammenbruch Griechenlands nicht mehr.

Von aller Zufuhr abgeschnitten, brach dort bald eine Hungersnot aus, die Stadt kapitulierte.

Athen musste die Langen Mauern und die Befestigung von Piräus schleifen, bis auf zwölf Schiffe seine gesamte Flotte ausliefern, alle auswärtigen Besitzungen räumen, alle Verbannten wieder aufnehmen, sich von "Dreißig Tyrannen" als verlängertem Arm Spartas regieren lassen – und Mitglied des Peloponnesischen Bundes werden. Aus der Großmacht wurde ein Vasall. Wäre es allerdings nach Spartas Verbündeten, allen voran Korinth, gegangen, so wären die Athener versklavt und die Stadt in eine Viehweide verwandelt worden. Doch der Sieger wollte Athen nicht zerstören, sondern als Gegengewicht zu Theben erhalten, das Ambitionen zeigte, auf dem griechischen Festland die Vorherrschaft anzustreben. In den kommenden sechzig Jahren sollte es keine griechische Polis schaffen, die Führungsrolle Athens zu übernehmen. Dies gelang schließlich auswärtigen Mächten, von 338 bis 168 v. Chr. den Makedonen, später dann den Römern. Der deutsche Althistoriker Johann Gustav Droysen (1808–1884) konstatierte: "Der Peloponnesische Krieg kannte keine Gewinner, sondern nur Verlierer – die Griechen."

Auf den Schlachtfeldern wird die wohl glänzendste Epoche der griechischen Geschichte vernichtet, das klassische goldene Zeitalter. Weniges ist uns erhalten geblieben, darunter sieben Tragödien des Dichters Sophokles.

Unter den vielen, die Sophokles bis heute ehren, ja verehren, zitieren wir hier

       o   Friedrich Hölderlin (1770-1843): „Sophokles. Viele versuchten umsonst,  
            das Freudigste freudig zu sagen,/Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus.“


       o   Peter Hacks (1928-2003): „Sophokles entdeckte, dass die patriarchalische Moderne
            den Verlust hoher sittlicher und emotionaler Güter bedeutet.“